Tabu Emotion?
Warum Emotionen wichtig in der Führung sind.
Immer noch sind zahlreiche Menschen der Überzeugung, dass Professionalität nichts mit Emotionen zu tun hat und das Emotionen nichts in den Führungsetagen verloren haben.
Einblicke aus unterschiedlichen Perspektiven geben Erfolgsmenschen auf diese Frage:
Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht emotionale Selbstführung in Führungsposition?
Prof. Dr. Claus Hipp, Hipp Babynahrung
Es gibt sicher viele, die Professionalität für sehr wichtig halten und oben ansetzen und die Emotionen leugnen oder sie gar nicht wahrhaben wollen. Aber die Natur des Menschen kann man nicht ändern. Es gibt sicher Menschen, die weniger emotional sind als andere. Es gibt welche, die sich’s nicht anmerken lassen, aber beides gehört zusammen. Und auch eine sogenannte sehr rationale Überlegung kann durch Emotionen in eine andere Richtung gesteuert werden.
Christian Kuhna, adidas
Auch das ist ein extrem wichtiger Bereich. Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, wie ich auf verschiedene Trigger Punkte reagiere und vor allem auch wie ich auf andere wirke. Die emotionale Selbstführung ist eine Leadership Qualität, die viele noch nicht in ihrem Portfolio haben und die noch nicht so anerkannt ist. Mit Führung wird oft das alte Managercliché, command, control und vor allem Planung, gleichgesetzt. Die Selbsterkenntnis und das emotionale Führen von Teams wird aber immer wichtiger. Klar, es wird nicht alles andere überstülpen und nichtig machen. Es kommt wie immer auch hier auf die richtige Balance an.
Stefanie Schneider, SWR
Wichtig, sehr wichtig, ganz klar, denn da kann man ganz viel falsch machen. Wenn man sich zu sehr emotional an eine Person bindet und nicht mehr unterscheiden kann zwischen professionellen Zusammenhängen und persönlichen Verbindungen, das ist absolut fatal.
Prof. Dr. Kurz, Fraunhofer
Sehr wichtig. Man kann sie schlecht planen. Die gesamte Persönlichkeit spielt dabei eine Rolle. Führung heißt für mich, dass die anderen aus eigener Überzeugung einer Vorgehensweise/Entscheidung folgen, möglichst frei von Hierarchien. Die Führungsperson darf Emotionen zeigen, z. B. bei Erfolg sich mitfreuen. Wichtig ist auch hier, authentisch zu sein.
Oberbürgermeisterin Mergen
Sehr wichtig, denn eine Führungsperson hat nicht nur die Aufgabe in der Sache, sondern in der Regel auch eine Vorbild- und Führungsfunktion für Menschen. Menschen lassen sich nur führen, wenn der Führende authentisch ist. Er muss in sich ruhen, stabil sein und auch Mensch sein. Deswegen ist das sehr wichtig, sich selbst immer wieder auch zu vergegenwärtigen, in was für einer emotionalen Situation man gerade steckt. Wenn man aus dem Lot ist, sich dann die Unterstützung zu holen, dass man wieder ins Lot kommt.
Mensch sein bedeutet für mich Empathie, sich in den jeweiligen Menschen hineinzuversetzen, der einem gegenübersteht und spüren, ob er Angst hat oder mutig ist oder gerade verzweifelt ist, vielleicht Schicksalsschläge erlitten hat, mit der Situation nicht so zurechtkommt, wie man das vielleicht als Führender gerne möchte. Dann hinzuhorchen, darauf einzugehen und Hilfe anzubieten.
Frank Hassler, Xing
Für mich ist das wichtig, aber nicht nur im Sinne positiver Emotionalität. Die Menschen müssen mitbekommen, wenn die Emotionen nicht gut sind. Weil sich Menschen daran reiben und ihr eigenes Verhalten und auch ihre Erwartungshaltung kalibrieren. Feedback zu erhalten ist wichtig. Aber wie gesagt, Emotionen nach außen müssen der Situation angemessen sein, gerade im beruflichen Alltag.
Prof. Dr. Dr. Roth, Neurobiologe
Ungeheuer wichtig. Der Vorgesetzte muss drei ganz wichtige Eigenschaften haben: Er muss kompetent sein, er muss feinfühlig sein und er muss vertrauenswürdig bzw. Vorbild sein. Dazu gibt es viele Untereigenschaften, z. B. in seinem Handeln gerecht sein – sehr wichtig. Konsequent. Er muss feinfühlig sein, d.h. sehen, was andere Leute antreibt, was ihre Belohnungsaussichten sind. Die meisten Vorgesetzten, die ich kennengelernt habe, müssen in diesem Punkt noch sehr viel lernen – um es vorsichtig auszudrücken.
Baroness Susan Greenfield, Hirnforscherin
Sie müssen sich dessen bewußt sein, ja. Denn wenn Sie versuchen, das Beste aus den Menschen herauszuholen, dann möchten Sie, dass Ihre Vision „gekauft“ wird. Sie müssen sich der Mentalität und gleichzeitig der Emotionen bewußt sein.
Joey Kelly
Sehr wichtig, denn das Personal ist das Unternehmen. Es ist oft das Wichtigste, was das Unternehmen überhaupt hat. Wenn man menschlich bleibt und den Menschen ein gutes Gefühl gibt, wächst das Unternehmen, weil die Menschen motiviert sind
Judith Williams, „Höhle der Löwen“
Extrem wichtig. Man begegnet man immer wieder Führungspersonen, bei denen man denkt: „Nein, Deine Mitarbeiter klein zu halten, ist keine Lösung. Das schädigt die Firma.“ Leider begegnen mir diese Führungskräfte tagtäglich. Aber heutzutage wollen die Menschen nicht nur einen Job. Sie wollen gefühlt sein, wahrgenommen werden. Sie wollen das Gefühl, gebraucht zu werden in ihrem Job.
Sie sind so unzufrieden und fühlen sich so wenig wertgeschätzt, dass sie aus lauter Verzweiflung, eine verrückte Business-Ideen mit einem Startup verfolgen. Das hätten wir viel weniger, wenn man in der Führung den Mitarbeitern Anerkennung und Aufmerksamkeit geben würde. Das ist extrem wichtig. Alles, das Aufmerksamkeit bekommt, bekommt einen neuen Wert. Statt der Bratpfanne auf den Kopf und „jetzt mach und tu“ zählt die Menschlichkeit: Wie kann ich Dir helfen, dass Du Deinen Job gut machen kannst?!
Und wie haben Sie Emotionen in Ihrem Führungsstil eingebunden?
Erfolgsmenschen bleiben dran und
optimieren stetig ihre Fähigkeiten.
Das trägt zum nachhaltigen Erfolg bei.
Die Interviewpartner
Prof. Dr. Claus Hipp ist ein deutscher Unternehmer und Geschäftsführer des Nahrungsmittel- und Babykostherstellers Hipp, ausgezeichnet mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und zahlreichen anderen Auszeichnungen.
Christian Kuhna, Director HR Strategy – Think Tank Future Trends & Innovation at adidas group – adidas group
Stefanie Schneider ist Landessenderdirektorin BW und stellvertretende Intendantin des Südwestrundfunks in Stuttgart. Sie zählt zu den 100 Spitzenfrauen von Baden-Württemberg.
Prof. Dr. rer. publ. ass. iur. Alexander Kurz ist seit 2011 Mitglied des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft und für den Bereich Personal, Recht und Verwertung zuständig.
Margret Mergen ist Politikerin und Oberbürgermeisterin von Baden-Baden.
Frank Hassler ist Senior Vice President, Business Unit E-Recruiting und E-Recruiting Chef XING AG Hamburg und hält Fachvorträge zum ThemaE-Recruitung bzw. Next Level Recruiting
Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Neurobiologe. Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Acht Jahre Präsident der Studienstiftung des Deutschen Volkes und Mitgründer der Roth GmbH – Applied Neuroscience. Einer der bekanntesten europäischen Neurobiologen und Autor zahlreicher Bücher, was auch die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse belegt.
Baroness Susan Greenfield CBE ist eine britische Wissenschaftlerin, Autorin, Rundfunksprecherin und Mitglied des House of Lords. Spezialisiert auf der Gehirnphysiologie, Susan erforscht sie den Einfluss der Technologien des 21sten Jahrhunderts auf die Psyche und wie das Gehirn Bewußtsein generiert. In Ihren Sachbüchern widmet sie sich neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson. Sie spricht regelmäßig im Radio, Fernsehen und hat Keynotes im öffentlichen wie privaten Bereich.
Joseph „Joey“ Kelly ist ein Musiker, Ausdauersportler und Unternehmer US-amerikanisch-irischer Abstammung. Bekannt wurde er zunächst als Mitglied der mit mehreren Musik- und Medienpreisen ausgezeichneten Pop- und Folkband The Kelly Family, die von 1974 bis 1994 als Straßenmusiker durch Europa sowie Nordamerika reiste und 1994 ihren kommerziellen Durchbruch erzielte.
Judith Alexis Stecher-Williams ist Unternehmerin, Fernsehmoderatorin, Opernsängerin, eine der Investoren beim VOX-Format Die Höhle der Löwen